
Veränderungen in Management-Strukturen, Alter & Ausbildung im deutschen Mittelstand: Wie sich die Strukturen der ersten und zweiten Führungsebene entwickelt haben und welche Schlüsse Personalentscheider ziehen. Es gibt Anpassungsbedarf, um Führungskräfte auch künftig nachhaltig für das Unternehmen zu sichern. Ein Blick auf den Wandel, die Details und Handlungsempfehlungen
Die Führungslandschaft im deutschen Mittelstand: Ein Wandel der Generationen und Karrierewege
Der deutsche Mittelstand ist das Rückgrat der Wirtschaft, bekannt für Stabilität und oft von langfristigen Visionen geprägt, erfährt derzeit einen besonderen und in dieser Form nie dagewesenen Druck. Anpassungen in der Personalstruktur produzierender Unternehmen sehen wir heute; ausgeprägt in der Automobilindustrie, bei den Zulieferern sowie im Maschinen- und Anlagenbau. Einige Auswirkungen zeigen sich auch in strukturellen Veränderungen in den Führungsebenen oberhalb der Teamleitungen. Hinter den Kulissen vollzieht sich ein stiller, aber tiefgreifender Wandel, der die Führungsstrukturen, auch im Management neu formt. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zusammensetzung von C-Level-Executives und der Leitungskräfte im mittleren Management verändert. Hier ein Blick auf die Entwicklungen in der Altersstruktur, den klassischen Karrierewegen sowie dem Ausbildungsniveau sowie Impulse/Hinweise zum Umgang mit künftigen Herausforderungen.
Der demografische Wandel in den Chefetagen (C-Level und Executives)
Die Altersstruktur in den oberen Führungsebenen, also bei Geschäftsführern, Vorständen und C-Level-Entscheidern, erlebt eine Verschiebung: Lange Zeit dominierten Führungskräfte der Baby-Boomer-Generation (geboren 1946-1964) diese Positionen. Sie stehen nun zunehmend vor dem Ruhestand; Leitungsfunktionen werden heute mit jüngeren Persönlichkeiten besetzt, wie noch vor zehn Jahren; wir erleben einen Alterssprung:
- Verjüngung an der Spitze: Zwar ist das Durchschnittsalter auf der C-Ebene noch immer relativ hoch, doch der Anteil jüngerer Führungskräfte aus der Generation X (geboren 1965-1980) hat in den letzte fünf Jahren deutlich zugenommen. Dies ist unter andrem auf die Notwendigkeit einer langsichtigen Nachfolgeplanung zurückzuführen, ein Kernthema für viele mittelständische Unternehmen.
- Stagnierendes mittleres Management (Bereichs- und Abteilungsleitung): Im Gegensatz dazu verläuft der Generationenwechsel im mittleren Management (Abteilungs-, Bereichsleiter) langsamer. Hier sind weiterhin erfahrene Kräfte im Alter von 43 bis 55 Jahren stark vertreten. Viele haben einen langen Karriereweg im selben Unternehmen hinter sich, was sowohl Stabilität als auch eine gewisse Beharrlichkeit in Veränderungsprozessen mit sich bringen kann. Der Weg von der Teamführung in die Abteilungs- oder Bereichsleitung unterliegt nach wie vor einer recht stabilen Erfahrungszeit auf der Ebene der Teamführungsverantwortung mit einer einzigen Berichtslinie, die durchschnittlich, nach wie vor, bei fünf bis zehn Jahren liegt.
- Druck aus der untersten Führungsebene: Gleichzeitig wird die nachwachsende Management-Generation (Führungstalente bis 30 Jahre) ungeduldiger, wenn es um die eigenen Karriereentwicklung geht. Menschen zwischen Anfang und bis Ende 20 wechseln heute entwicklungsbedingt wesentlich schneller das Unternehmen, wie sie es noch vor fünf oder zehn Jahren getan haben; der Anspruch auf Entwicklungsgeschwindigkeit der eigenen Karriereentwicklung nimmt zu.
Eine detaillierte Studie der Bundesagentur für Arbeit gab es dazu zuletzt 2019. Erste Tendenzen, sowie weitere Daten zu Führungsstrukturen waren bereits erkennbar. Hier der Link zur Statistik der Bundesagentur für Arbeit.
Akademisierung vs. traditionelle Karrierewege
Das Ausbildungsniveau von Führungskräften hat sich signifikant gewandelt, ein Trend, der sich auch im Mittelstand abbildet.
- Akademisierung der Spitze: Während vor 20 Jahren noch viele Top-Manager im Mittelstand noch den Weg einer klassischen Berufsausbildung und interner Weiterentwicklung und -bildung zur Führungskraft im Executive-Segment aufstiegen, ist heute ein akademischer Abschluss (Bachelor, Master) Mindeststandard. Insbesondere Studiengänge wie Betriebswirtschaftslehre, Ingenieurwesen oder auch spezialisierte Fachbereiche sind die Regel, Executives ohne akademische Qualifizierung werden seltener. MBA-Titel sind inzwischen weit verbreitet, auch wenn der Mittelstand hier (noch) konservativer agiert als große Konzerne.
- Vielfalt im mittleren Management: Im mittleren Management ist die Bandbreite der Qualifikationen größer. Hier finden sich weiterhin viele Führungskräfte, die ihren Weg über eine fundierte Ausbildung und jahrelange Praxiserfahrung gegangen sind. Doch auch in dieser Ebene ist der Anteil an Akademikern stark gestiegen, was oft eine höhere Fluktuation mit sich bringt, da diese Manager früher nach den nächsten Karriereschritten Ausschau halten (siehe demografische Dynamik).
Weitere Impulse und Herausforderungen aufgrund der Entwicklungen im Mittelstand
- Flachere Hierarchien und größere Verantwortungsspannen sind deutlich sichtbarer: Viele Unternehmen haben Führungsspannen („Span of Control“) vergrößert, d.h. ein Bereichs- oder Abteilungsleiter trägt heute Verantwortung über mehr Mitarbeitende als früher.
- Führungsdichte (Verhältnis Führungskräfte vs. Fach-/nicht-führende Mitarbeitende) hat tendenziell abgenommen. Das bedeutet: weniger Linienführungsebenen dazwischen; oft werden Aufgaben oder Verantwortung gebündelt oder in Personalunion besetzt. (Konkrete Daten zur Führungsdichte im Mittelstand sind selten konsistent erhoben, eine Quellenangabe zu unserer Analyse finden Sie am Ende des Artikels.)
- Digitale Welt, AI, KI, Remote, New Work: Selten gab es in einem Jahrzehnt derart intensive Impulse, die die direkten Führungskräfte (Teamleiter) zur schnellen Anpassung der eigenen Handlungskompetenz gefordert haben. Impulse und Anforderungen werden heute eher (Bottom Up) von der Basis an die Teamleitungen, dann an die Bereichs- und Abteilungsleitungen und dann an die C-Level-Ebene als Fragen- und Anforderungspakete „weitergereicht“. Nicht selten befindet sich das Top Management heute eher in der Reaktion, während noch vor zehn Jahren Impulse bezüglich des Arbeitsumfeldes vorrangig Top Down realisiert wurden.
Die Entwicklung Führungsstruktur in der Zukunft
Indikatoren zur weiteren Entwicklung in der Führungsstruktur in der Zukunft lassen sich aus den Tendenzen der Personalberatung, dem Headhunting und im Executive Search ableiten: Aktuelle Mandate aus dem Direct Search für die erste und zweite Führungsebene zeigen, was der Mittelstand in den kommenden Jahren braucht:
- Erste Führungsebene (C-Level & Executives): Die Suchprofile aus den Briefings im Direct Search für das Top Management passen sich an. In diesem Bereich ist betriebswirtschaftliches Studium mit Masterabschluss die Mindestanforderung an das Ausbildungsniveau („der Bachelor von heute, ist das Abi von früher“). In Technologiebranchen des Mittelstandes werden nicht selten ergänzend ein fachrelevante Studienabschlüsse im technischen Segment, z.B. im fachbezogenen Engineering gewünscht. Der bereits erbrachte Erfolgs- und Ergebnisbeweis auf Managementebene ist nach wie vor ein Must-have für interessante Kandidaten und Kandidatinnen. Reine „Praxiskarrieren“ ohne jeglichen akademischen Hintergrund sind kaum noch relevant. Allerdings verändert sich der Top-Stopp beim Alter. Dieser ist in den letzten zehn Jahren von „Ende Fünfzig“ auf „Anfang bis Mitte Fünfzig“ um rund zehn Jahre angepasst worden. Auf Entscheidungsebene traut man den jüngeren Managern künftig offensichtlich mehr zu; immer häufiger werden Executive-Funktionen mit Managern auch ab Anfang vierzig besetzt.
- Zweite Führungsebene (Bereichs- & Abteilungsleitung): Die Erwartungen an das Ausbildungs- und Erfahrungsniveau hat sich hier nicht wesentlich verändert und findet sich in einem breiten Spektrum an Qualifizierungserwartungen wieder: Je nach Fach-Bereich mit nahezu identischen Parametern, wie noch vor fünf oder zehn Jahren. Was sich in diesem Segment hingegen deutlich verändert, sind die Erwartungen bezüglich digitaler Kompetenzen, in Bezug auf AI/KI und mit deutlich höherer Erwartung/Sensibilität im Bereich der Sozialkompetenz sowie den Individuellen People Management Skills. Hier reagiert der Mittelstand auf deutlich veränderte Erwartungshaltungen der jungen Talente, der Nachwuchsführungskräfte und den Top Performern. Führungskräfte der zeiten und dritten Ebene stehen als größte Hebel in Bezug auf die Mitarbeiterbindung und Performance-Entwicklung der Unternehmen deutlich im Fokus.
Die Bedeutung für das HR-Management im Mittelstand
Die Kapazitäten für strategische HRM-Projekte im Mittelstand sind im in den letzten 48 Monaten deutlich reduziert, in nicht wenigen Unternehmen auch abgebaut/eliminiert worden. In vielen Betrieben addiert sich der latent vorhandene Fachkräftemangel nun mit den durch die Demografie bedingten Nachfolgedynamik für Altersfluktuationen. Bei einer linearen Unternehmensentwicklung, selbst bei Stagnation der Unternehmensentwicklung wird der Aufwand und Bedarf im Recruiting steigen, um Altersausscheidungen, die höhere Wechselbereitschaft junger Talente und die angepassten Anforderungen in Personalstrategie umzusetzen. Industrien und Branchen, die sich derzeit in Phasen des Personalabbaus befinden erfahren einen besonderen Anspruch: Mit weniger Personal betriebswirtschaftlich langfristig Perspektiven nutzen und Potenziale effektiver und effizienter auszuschöpfen gelingt nur mit Führungskräften, die aufgrund ihrer Ausbildung, passender Qualifikation und zukunftsgeeigneter Praxiserfahrung die Belegschaft erfolgreich führen können. Das gilt für sämtliche Segmente der Führungs- und Leitungsverantwortung im Management; für die Teamleitung, die Abteilungs- und Bereichsleitung und im C-Level auf Executive-Ebene.
Nur mit angepassten Parametern für die Suche geeigneter Führungskräfte wird ein Generationswechsel im Management als Erfolgsinstrument greifen.
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