Recruiting im Mittelstand

Bewerbermangel im Mittelstand | Personalberatung Bollmann

Das Gute Vorweg: Um Geschwindigkeit und Qualität von Stellenbesetzungen drastisch zu erhöhen gibt es durchaus Möglichkeiten und Stellschrauben, die mit Bordmitteln umzusetzen sind. Es braucht auch nicht immer und an jeder Stelle eine Agentur, eine Personalberatung, oder einen Headhunter für den Direct Search. Auch ein Vervielfältigen der Marketing- Aktivitäten ist nicht immer der passende Weg, wenn gewünschte Bewerber fehlen, ebenso wenig blinder Aktionismus in der Suche von Fachkräften. Die Reflexion einiger Parameter des eigenen Vorgehens kann da schon weiterhelfen. Hier einige Beispiele und Hinweise für mögliche Ansätze…

Die veränderte, in einigen Branchen auch angespannte wirtschaftliche Dynamik im deutschen Mittelstand, der Paradigmenwechsel des Arbeitsmarktes, neue Generationen nachrückender Fach- und Führungskräfte sind nur auszugsweise Aspekte, die zur Überprüfung, Infragestellung und ggf. auch zur Anpassung im Recruitment veranlassen. Insbesondere dann, wenn die Geschwindigkeit der Stellenbesetzungen erfolgskritisch ist und in der Performance der Aufgabe der zu besetzenden Position ein Wettbewerbsvorteil liegt, oder genutzt werden soll. Hier können einige Stellschrauben bewegt werden. Kommen also die ideal passenden Bewerber nicht zum Unternehmen, dann ist die Frage angebracht: Wie kommen wir zu den richtigen und passenden Bewerbern? Und agieren besser, wie die Wettbewerber, die sich eben auch um den „Top Kandidaten“ bemühen? Einige Möglichkeiten treffen vielleicht auch für Ihr Recruitment zu:

Stellenausschreibung / Stellenbeschreibung: Zunächst und unabhängig davon, in welchem Medium diese veröffentlicht wird, definiert sich bereits hier die Qualität des Bewerbungseingangs. Oft werden veraltete Standards genutzt, repliziert oder Mainstream gearbeitet. Doch: Wer soll die Ausschreibung lesen und wie will er/sie/es mit welchen Aussagen und faktischen Inhalten angesprochen werden? Welche, der Zielgruppe angemessenen, Statements sind passgenau und auf die gewünschte Persönlichkeit gezielt wirkend? Wie genau „aktivieren“ wir den für uns ideal passenden Kandidaten (und klammern die aus, die wir als Bewerber nicht wünschen)?

Nicht das Medium seiner Bewerbung, nicht das laute Klappern (wenn das Unternehmen nicht gerade Marken- oder Marktführer der Branche ist) um Selbstverständlichkeiten heutiger Erwartungen von exzellent passenden, potenziellen neuen Mitarbeitern zählt. Individuelle Fakten und Statements sind gefragt. Hier gilt es inhaltlich zu motivieren und eine klare Aussage darüber zu treffen, wer ideal in das Unternehmen, in die Rahmenbedingungen und zur Intension der expliziten Stellenbesetzung passt… und wer eben nicht. Bereits hier werden die Stellschrauben dafür gebraucht, ob 80% der Bewerber „eher nicht“ passen und 20% nur mit Abstrichen geeignet wären. Dass beispielsweise ein Regional Sales Manager für den Vertrieb der Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens im zugewiesenen Gebiet zuständig ist und erfolgsorientiert agieren soll, ist logisch. Eine solche Aussage im Bereich der Aufgaben der Tätigkeit langweilt den „High Potential“, raubt Platz für bessere und individuell skalierende (sortierende) und werthaltige Inhalte.

Überprüfung der Toleranzen auf Flexibilität

Ist es (wirklich) so, dass der Mitarbeiter physisch und fix am Standort gebunden seine Aufgabe wahrnehmen muss? Kompetent selbstverantwortlich und kommunikativ, sowie methodisch gut strukturierte Fachkräfte können mit einer passenden Infrastruktur Ihre Aufgabe, ggf. ja auch teilweise, vom Home-Office erledigen. Und das durchaus effizient und effektiv. Immer mehr Menschen ist es wichtig, Berufs- und Privatleben werthaltig zu kombinieren. Flexible und ggf. unkonventionelle Arbeitszeitmodelle sind durchaus ein Attraktivitätsmerkmal, das zu einem Stellenwechsel veranlassen kann. Eine weitere Methode, insbesondere in Regionen mit strukturell „schwacher“ Quantität an infrage kommenden Bewerbern, kann ein alternatives Arbeitsplatzmodell sein, indem ein Arbeitsplatz in einem Office- Center in attraktiveren Regionen angeboten wird. Damit ließe sich auch, eine ansonsten eher regionale Bemühung, um einen größeren Kreis der Bewerber immens erweitern. „Wünschen Sie sich doch ihren Dienstsitz“ war kürzlich dazu in einer Annoncierung zu lesen.

Interne Job-Multiplikatoren und Job-Coaches

Recht selten werden die Mitarbeiter/künftigen Kollegen eingebunden. Wobei das doch ausgezeichnete Botschafter sind. Insbesondere die Mitarbeiter im Vertrieb haben in der Regel eine sehr gute Vernetzung und können nicht nur für die eigene Abteilung wirkungsvolle Multiplikatoren sein. Doch bitte nicht nur in „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“- Aktionen, in denen einfach nur mit Fangprämien gelockt wird: Die Menschen, die dafür in Betracht kommen, müssen motiviert, für Ihre individuelle Rolle „abgeholt“ und unterstützt werden. Wie kann ich mit sinnvollen Maßnahmen (berufliche ggf. auch Social-) Netzwerke nutzen, welche Links werden dazu zur Verfügung gestellt und welche, eventuell auch aktive, Ansprache kann (und darf!) wie genutzt werden? Im Onboarding kann ein solcher Multiplikator beispielsweise auch eine wirkungsvolle Mentoren- Rolle, eventuell auch die Aufgabe eines Job- Coaches im gut abgestimmten Zusammenspiel mit der Führungskraft übernehmen.

Mit ausgesuchten, gut auf dieses Instrument vorbereiteten, Mitarbeitern kann das eine wirkungsvolle Dynamik erzeugen.

Der frühe Vogel fängt den Wurm. Oder: Die besten Bewerber sind schnell woanders

Rund 20% aller Bewerber (Quelle: Ergebnis eigener Analyse der BOLLMANN EXECUTIVES GmbH aus Recruitment- Prozessberatungen) brechen während der Bewerbungsphase in den Unternehmen ab, sind dann plötzlich nicht mehr greifbar, haben ein „besseres Angebot“, oder sind „nicht mehr interessiert“ (und nicht selten sind das die „Guten“). Die Reaktion (Eingangsbestätigung samt EUDSGVO) auf eine Bewerbung muss heute binnen 24Stunden erfolgen, geeignete Kandidaten sollten innerhalb 48Stunden ihren Positivbescheid und in nicht länger als einer Woche eine telefonische Rückmeldung/Einladung zum Interview erhalten. Und „wirklich schnell“ ist das nicht unbedingt. Gute Bewerber bewerben sich nicht zwingend exklusiv auf eine einzige Ausschreibung und sind darüber hinaus nicht selten auch bei einem Headhunter / Personalberater „auf dem Schirm“. Und… auch andere Unternehmen sind (wirklich) schnell. Neulich hat ein namhaftes Unternehmen damit geworben (und praktiziert das auch) innerhalb einer Stunde(!) auf eine eingehende Bewerbung zu reagieren. Was, wenn das dem idealen Kandidaten für Ihr Unternehmen gerade passiert?

Active Sourcing im Verbund, mal etwas unkonventionell

Kürzlich hat unsere Personalberatung die Anfrage eines regionalen Unternehmensnetzwerkes erhalten, in Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaftsvereinigung zu einem aktivem Sourcing für eine lokal eher schwierigere, unterrepräsentierte geografische Lage. Hier werden potenzielle Fachkräfte mit entsprechend benötigten Profilen und zunächst genereller Umzugsbereitschaft für diese Region deutschlandweit aktiv angesprochen und in einem „Pool“ zusammengeführt. Daraus entsteht ein zur Verfügung stehendes Potenzial an Fachkräften, auf das im akuten Bedarfsfall dann schnell und gezielt zugegriffen und dann aktiviert wird. Die Projektierungskosten teilen sich die Unternehmen. Auch wenn das ein eher strategischer Ansatz mit mittelfristigem Effekt ist, erweitert es doch den potenziellen „Bewerber-Kreis“ immens und verkürzt die Besetzungszeit drastisch. Eine Amortisierung für die beteiligten Betriebe (hier kleine, mittelständische Produktionsbetriebe) hat sich bereits nach kurzer Zeit ergeben: Ein interessantes Konzept, um Dynamiken lokaler Arbeitsmärkte im Potenzial jedoch bundesweit zu nutzen.

Digitalisierung und Automatisierung. Aber bitte angemessen und an der richtigen Stelle.

Dieses, mittlerweile ganze Semester und Branchen-füllende, Thema kann an dieser Stelle nur angerissen werden. Doch, und je nach Größenordnung des Personalbedarfs, liegen auch hier mögliche Potenziale und „schießen sich Arbeitgeber“ im Umkehrschluss bereits im Stellen- und Bewerberportal, oder im anschließend automatisierten Recruitment- Procedere der Unternehmen raus, nicht selten sogar die vermeintlich „Großen“. Recht schlicht zu einigen Punkten in diesem Feld:

Wie hoch ist Ihre „Abbruchrate“ der Seitenbesucher auf Ihrem Stellenportal und wie schnell, über welche Wege und mit welchem Inhalt kann/darf der Kandidat sich bewerben oder sein Interesse bekunden? Wie hoch ist die „digitale Hürde“, die ein Bewerber nehmen muss? Immer noch gibt es Unternehmen, die ein Job-Portal betreiben, in dem der Bewerber in/mit suboptimalen, oder gar antiquierten Technologien und Suchparametern auf Safari gehen muss, bevor er eine für ihn (und dann ja nur eventuell) geeignete Stelle findet. Das endet in der Regel nach weniger als einer Minute und er findet 10 Alternativen auf anderen Wegen, im Ergebnis… woanders!

Gibt es in der Stellenausschreibung einen benannten Ansprechpartner oder soll der Kandidat sich an „Bewerbung@...“ wenden? Die besten Kandidaten wollen/suchen einen direkten und aussagefähigen Ansprechpartner, den sie sprechen können; es geht ja um nicht weniger als die persönliche, berufliche Zukunft! Das wird subtil/subjektiv, aber eben auch ausschlaggebend als Signal/Statement einer verbindlichen und persönlichen, werthaltig gelebten Unternehmenskultur verstanden.

Next Step: Nachdem die Geschwindigkeit einer, gern auch automatisierten, jedoch als charmant empfundenen und schnellen, Eingangsbestätigung (samt EUDSGVO- Prozess!) passt; wie geht’s weiter?

Gibt es ein darüberhinausgehendes oder kombiniertes, automatisiertes Signal via SMS, WhatsApp, werden Video-Chats eingesetzt; macht das bei Ihnen und für das gewünschte Bewerberklientel Sinn?

Natürlich kann ein automatisiertes „Parsing“ beim maschinellen Auslesen relevanter Daten und Informationen aus dem Lebenslauf helfen. Doch schaut dann auch noch ein denkender und ggf. individuell agierender Mensch auf wesentliche und vielleicht individuelle Inhalte und wie bewertet er? Vielleicht finden sich diese auch gar nicht im Lebenslauf, der nicht selten nur „alle paar Jahre mal, oder zum letzten Jobwechsel“ aktualisiert wurde.

Der überwiegende Teil von Lebensläufen ist bestückt vom raumstehlenden „Abarbeiten“ bisheriger Stellenbeschreibungen und gibt kaum Profil wieder. Wenn dem so ist, sagt der CV auch nichts über die wirkliche Praxisqualität, fachliche und persönliche Kompetenztiefen eines Menschen. Wobei auch mangels Wissens oder Kompetenz, bzw. im Klageverfahren erzwungene, oder selbstgeschriebene Arbeitgeberzeugnisse nicht immer wirklich hilfreich sind.

Wenn diese, hier auszugsweise genannten, Aspekte nicht professionell und auf die Situation des Unternehmens angemessen und angepasst beleuchtet werden, wirkt auch ein noch so hippes, unter Social Media- Gesichtspunkten optimiertes Robo-Recruiting nicht wirklich. Ob persönlich oder fachlich; hochqualifizierte Fachkräfte und Talente sind denkende, fühlende und subjektiv wertende Menschen und werden nicht dadurch erreicht, dass sie mit Automaten kommunizieren oder maschinell abgeschreckt werden. In der Regel schreckt das diese ab und führt mittelfristig zu einer eher schlechten Reputation/Candidate Experience.

Zu guter Schluss: Der Markt perfekt passender Mitarbeiter ist immens. Und auch sensibel, wenn es um eine schnelle und perfekt passende Stellenbesetzung geht. Nicht jedes Unternehmen kann oder will in eine professionelle Hilfe durch eine Personalberatung im Direct Search investieren und ist daher abhängig davon, sich auf den Teil der aktiv suchenden Menschen zu konzentrieren. Vorstehend finden Sie einen Auszug bzw. einige Stellschrauben, die in Ihrem Unternehmen, bei Ihrem Engagement um die besten Mitarbeiter, helfen und Ergebnisse verändern können.

Wenn Sie Ihr Recruitment optimieren oder die damit verbundene Prozesse/Vorgehensweisen auf Effektivität durchleuchten wollen, sprechen Sie uns gerne an.

Downloads

Alexander Bollmann
Management- & Personalberater / Gesellschafter & Geschäftsführer

Dieser Blog-Beitrag wurde am 10. August 2021 veröffentlicht.