Sie bewerben sich und bekommen keine Reaktionen, bestenfalls Absagen und das häuft sich nun? Sollten Sie die 45 überschritten haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie zu alt für den Job sind!
Nicht einmal ein Vorstellungsgespräch lässt sich realisieren - obwohl Sie die Anforderungen des Jobs zu 100% abdecken, Sie haben ein tolles und individuelles Anschreiben formuliert, haben einen perfekt gefüllten und aussagekräftigen Lebenslauf, sehr gute Zeugnisbewertungen und alle geforderten Qualifikationen. Hier eine Möglichkeit: Darf ich Sie fragen wie alt Sie sind? Sollten Sie nämlich die 45 überschritten haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie zu alt für den Job sind! Natürlich sagt Ihnen das niemand - das verbietet das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG)!
Bevor in der Personalberatung ein Mandat übernommen wird, wird mit dem Auftraggeber ein genaues Profil der gewünschten Zielperson erarbeitet. Im Rahmen dieses Briefings sprechen wir mit der Geschäftsleitung, dem zukünftigen Vorgesetzten, den Kollegen und den zukünftig untergebenen Mitarbeitern. Ziel dieses Briefings ist einerseits ein klares Bild von den fachlichen Anforderungen der zu besetzenden Stelle, andererseits - und dies ist für uns noch mehr von Bedeutung - möchten wir ein klares Verständnis von den benötigten sozialen Kompetenzen des neuen Mitarbeiters erhalten. Dies ist für uns essentiell um einen wirklichen „Perfect Fit“ zu erzielen.
Soweit…so gut… und jetzt zur Realität subjektiv gesetzter „Faktoren“:
Zwangsläufig kommt natürlich auch das Wunschalter des neuen Mitarbeiters zur Diskussion. In der Regel (bei Führungskräften) wird dann „Mitte 30 bis Mitte 40“ genannt. Wenn wir dies dann hinterfragen und auf ältere mögliche Kandidaten hinweisen, erzeugen wir in der Regel Erstaunen und Ablehnung: „Der Vorgesetzte wären dann ja jünger…“, „ … kein Verständnis für Digitalisierung …“, „ … nicht mehr so leistungsfähig ….“, „ … geht ja schon in x Jahren in Rente …“, usw. … Im Austausch mit der Personalberatung liegt diese Diskussion offen, bei der Eingangsbewertung von Bewerbern ohne Beratung, findet das in der Regel im „stillen Kämmerlein des Oberstübchens“ (subjektiv, gedankliche- Ersteinschätzung) statt.
Erst nach intensiver Diskussion und Argumentation können wir unsere Mandaten nicht selten überzeugen, die Stelle nach optimaler Kompetenz zu besetzen und nicht nach Alter. Zumindest nicht nach dem Geburtsdatum!
Ich kann durchaus nachvollziehen und habe dafür auch volles Verständnis, dass ein Arbeitgeber vermeiden will, einen neuen Mitarbeiter einzustellen, der zu „alt“ ist und somit nicht in das Team passt. Eine solche Entscheidung aber ausschließlich aufgrund des Geburtsdatums zu treffen, halte ich für wenig weitsichtig und sollte ausschließlich, bei fachlicher Eignung, aufgrund des Typs des Bewerbers getroffen werden. In einer Zeit, in der „Arbeit“ ein seltenes Gut darstellt, muss damit sorgsamer und professioneller umgegangen werden.
Wir erlauben uns durch diese Vorgehensweise eine nicht unerhebliche Verschwendung von Kompetenz und Potential.
Untersuchungen haben gezeigt, dass altersgemischte Teams kreativer und erfolgreicher sind. Aber auch die demographische Entwicklung führt die Suche nach „Jugend“ ad absurdum. Die Menschen werden älter und sind dabei fitter denn je - nicht umsonst heißt es: 40 ist das neue 20.
Mehrheitlich wird von Personalabteilungen Bewerbern über 50 - neben einer erheblichen Fachkompetenz - Loyalität, Zuverlässigkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, soziale Kompetenz und Gelassenheit zugesprochen. Weiterhin ist das Vorurteil, Bewerber über 50 sind technologisch nicht mehr auf dem neusten Stand oder können der technologischen Entwicklung nicht mehr folgen, schon längst überholt. Ebenso das Vorurteil der geringeren Leistungsfähigkeit - hier sprechen wissenschaftliche Untersuchungen eine deutliche - sogar gegenteilige - Sprache.
Und zu guter Letzt wird gerne eingewandt, dass Bewerber über 50 höhere Gehaltsvorstellungen haben. Aber auch dies relativiert sich auf Grund des Fachkräftemangels rasant - schon die Berufseinsteiger wissen diese Situation auszunutzen und fordern höhere Einstiegsgehälter, und das zieht sich durch alle Ebenen. Ein weiterer Aspekt ist die Fluktuationsrate: Während die unter 40-jähren häufig noch gedanklich 2 bis 3 weitere Stationen ihres beruflichen Schaffens sehen; verringert sich diese Motivation mit zunehmendem Alter; ab 50 halbiert sich dieser Effekt und ab Mitte 50… wollen die Menschen in der Regel die noch verbleibenden 17 Jahre Tätigkeit in Ihrem „beruflichen Zuhause“ leisten und sind auch gegen „situative Störfelder“ (Restrukturierungen, neue Chefs, etc.) toleranter, gefestigter. Nutzen kann das natürlich ein Unternehmen nur dann, wenn es auch „bereit zur Führung gefestigter Persönlichkeiten“ ist.
Summa Summarum: Bei der Besetzung einer Stelle darf nicht das Geburtsdatum eines Bewerbers den Ausschlag geben und danach vorselektiert werden. Sondern fachliche und soziale Kompetenzen des Bewerbers sollten ermittelt und gegen die Anforderungen der Stelle und die Paßgenauigkeit in das zukünftigen Teams abgeglichen werden. Eigentlich ganz einfach - nur frei von Vorurteilen.
Ich bin sehr gespannt auf Ihre Meinung und freue mich auf eine angeregte Diskussion. Bitte fühlen Sie sich frei und lassen Sie uns diskutieren; hier meine Kontaktdaten: